Stell dir vor, du hast dein Haus jahrzehntelang aufgebaut, renoviert und darin deine Familie großgezogen. Jetzt bist du 68, deine Kinder sind erwachsen, und du willst sicherstellen, dass das Haus nach deinem Tod nicht in einem langwierigen Erbverfahren verklagt wird. Du denkst: vorweggenommene Erbfolge - das ist die Lösung. Du schenkst das Haus an deine Tochter, behältst das Wohnrecht und sparest Tausende an Erbschaftssteuer. Klingt perfekt. Doch was passiert, wenn du später Pflege brauchst und der Staat plötzlich 120.000 Euro von deiner Tochter zurückfordert? Oder wenn sie das Haus verkaufen will und du plötzlich auf der Straße stehst? Die vorweggenommene Erbfolge ist kein einfacher Akt der Großzügigkeit. Sie ist ein komplexer Rechts- und Finanzakt - und viele machen dabei Fehler, die sie das Leben kosten können.
Was ist eigentlich eine vorweggenommene Erbfolge?
Die vorweggenommene Erbfolge ist nichts anderes als eine Schenkung von Immobilien zu Lebzeiten - aber mit dem klaren Ziel, den Erbfall zu umgehen. Du gibst dein Haus, deine Wohnung oder dein Grundstück nicht einfach weg. Du überträgst es bewusst an einen zukünftigen Erben, damit es nach deinem Tod nicht mehr in die gesetzliche Erbfolge fällt. Der Bundesgerichtshof definiert es als die Übertragung von Vermögen an Personen, die du als Erben vorgesehen hast. Es ist kein Testament, kein Erbvertrag - es ist eine Schenkung, die jetzt wirkt, nicht erst nach deinem Tod.
Das ist der große Vorteil: Du bestimmst, wer was bekommt - ohne Wartezeit, ohne Streit zwischen Verwandten, ohne Notar, der das Testament interpretieren muss. Und du nutzt die Steuerfreibeträge. Jedes Kind kann alle zehn Jahre bis zu 400.000 Euro steuerfrei von den Eltern erhalten. Bei zwei Kindern sind das 800.000 Euro. Bei vier Kindern? 1,6 Millionen Euro - komplett steuerfrei. Das ist kein theoretisches Modell. Das machen Tausende in Deutschland - besonders in Regionen mit hohen Immobilienpreisen wie München, Frankfurt oder Hamburg.
Drei Modelle - und welches ist das richtige für dich?
Nicht jede Schenkung ist gleich. Es gibt drei gängige Modelle, und jedes hat seine Vor- und Nachteile.
- Reine Schenkung: Du gibst das Haus komplett ab. Kein Gegenwert, kein Wohnrecht. Einfach weg. Das ist riskant. Wenn du später Pflege brauchst und kein Geld mehr hast, kann der Staat den Wert der Schenkung zurückfordern - bis zu 10 Jahre nach der Übertragung. Das nennt man Pflichtteilsregress. Und du hast keine Kontrolle mehr. Dein Kind kann das Haus verkaufen, vermieten oder sogar verpfänden - ohne deine Zustimmung.
- Gemischte Schenkung mit Gegenleistung: Das ist das Standardmodell. Du verkaufst das Haus an dein Kind für einen symbolischen Betrag - etwa 1 Euro - und vereinbarst gleichzeitig ein lebenslanges Wohnrecht. Du bleibst im Haus, du zahltst keine Miete, und dein Kind ist Eigentümer. 68 % aller Immobilienschenkungen nutzen dieses Modell, weil es Sicherheit bietet. Aber Achtung: Das Wohnrecht muss genau formuliert sein. Muss das Kind Modernisierungen zahlen? Wer zahlt die Heizkosten? Wer darf Gäste einladen? Unklare Formulierungen führen zu Gerichtsprozessen. Laut der Kanzlei Hufnagel sind 45 % der fehlgeschlagenen Fälle auf schlecht formulierte Wohnrechte zurückzuführen.
- Schenkung mit Auflassungsvorbehalt: Hier bleibt das Eigentum rechtlich bei dir, bis du stirbst. Dein Kind ist nur „Käufer im Vorgriff“. Klingt sicher? Tatsächlich nicht. Der Bundesgerichtshof hat 2019 klargestellt: Steuerlich gilt das als Erbfall. Du verlierst den Vorteil der zehnjährigen Frist. Der Staat kann die Schenkungsteuer rückwirkend berechnen - und du hast keine Kontrolle über das Grundbuch. Das ist kein Schutz, das ist eine Falle.
Die größten Risiken - und wie du sie vermeidest
Die meisten Menschen denken nur an die Steuern. Sie vergessen die Folgen.
Risk 1: Pflichtteilsregress
Wenn du dein Haus an ein Kind schenkst, aber andere Kinder hast, haben diese einen Anspruch auf ihren Pflichtteil - also die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils. Wenn du innerhalb von zehn Jahren stirbst, kann der Staat von dem begünstigten Kind das Geld zurückfordern, das es durch die Schenkung erhalten hat. Das ist kein Mythos. Ein Nutzer auf Reddit berichtet, er musste nach der Schenkung 2020 2022 120.000 Euro für Pflegekosten des Vaters erstatten. Warum? Weil der Staat den Wert der Schenkung als Vermögen ansah - und ihn zur Kasse bat.
Risk 2: Verlust der finanziellen Absicherung
Wenn du dein Haus abgibst, hast du oft kein anderes Vermögen mehr. Kein Sparkonto, keine Rente, keine Lebensversicherung. Die meisten Schenker sind über 65. 72 % sind älter als 65. Wenn du plötzlich Pflege brauchst, zahlt der Staat - aber nur, wenn du arm bist. Und wenn du vorher ein Haus verschenkt hast, gilt das als Vermögensverschwendung. Der Sozialverband VdK sagt: Jeder fünfte Schenker braucht innerhalb von fünf Jahren staatliche Hilfe. Warum? Weil er nicht vorausgedacht hat.
Risk 3: Streit zwischen den Kindern
Wenn du nur einem Kind das Haus schenkst, aber zwei hast - dann wird es ungemütlich. Das eine hat das Haus, das andere hat nichts. Selbst wenn du das schriftlich regelst, entsteht Missgunst. Der Deutsche Anwaltverein empfiehlt: Regel Pflichtteilsverzicht schriftlich und notariell. Aber das kostet Geld. Und viele Familien vermeiden es aus Angst vor Konflikten - und zahlen später doppelt.
Was du unbedingt tun musst - und was du lassen solltest
Wenn du die vorweggenommene Erbfolge ernsthaft in Betracht ziehst, dann tu das nicht allein. Du brauchst drei Experten: einen Notar, einen Steuerberater und einen Anwalt für Erbrecht.
Was du tun musst:
- Notarielle Beurkundung: Das ist Pflicht. Jede Grundstücksübertragung muss notariell beurkundet werden. Die Kosten liegen zwischen 1.500 und 5.000 Euro - je nach Wert der Immobilie. Das ist kein Aufwand, das ist Schutz.
- Wohnrecht genau definieren: Nicht nur „lebenslanges Wohnrecht“. Sondern: Wer zahlt Heizung, Reparaturen, Versicherung? Darf das Kind das Haus vermieten? Darf es den Balkon umbauen? Wer entscheidet über Fenster oder Dach? Ohne klare Regeln - Streit.
- Finanzielle Absicherung prüfen: Hast du noch eine Rente? Eine Lebensversicherung? Ein Sparkonto? Wenn nicht - dann schenke nicht. Du brauchst mindestens 1.500 Euro monatlich für Lebenshaltungskosten. Wenn du das nicht hast, bleib bei deinem Haus.
- Steuerfreibeträge nutzen: Wenn du zwei Kinder hast, schenke 2025 400.000 Euro an das eine, 2035 400.000 Euro an das andere. So sparst du 160.000 Euro Steuer. Das ist kein Trick - das ist Gesetz.
Was du lassen solltest:
- Keine „schnellen“ Schenkungen über 500.000 Euro ohne Dokumentation. Ab 2025 muss das gesondert gemeldet werden.
- Keine Schenkung ohne Pflichtteilsverzicht, wenn du mehr als ein Kind hast.
- Keine Schenkung, wenn du keine eigene Altersvorsorge hast.
- Keine Schenkung, wenn du dich nicht auf den Verlust der Kontrolle einstellen kannst.
Wie sieht die Zukunft aus?
Die Zahl der Immobilienschenkungen steigt. Von 128.000 im Jahr 2018 auf 156.000 im Jahr 2022 - ein Anstieg von 22 %. In Bayern ist es schon Standard, in Berlin noch selten. Die Gründe? Steigende Preise, sinkende Geburtenraten, und eine Generation, die nicht mehr will, dass ihr Haus nach dem Tod versteigert wird. Experten wie Prof. Dr. Markus Fischer prognostizieren: Bis 2030 wird jede dritte Immobilien-Nachfolge über eine vorweggenommene Erbfolge laufen.
Aber es wird strenger. Der Koalitionsvertrag 2021-2025 plant, die Freigrenze von 400.000 auf 500.000 Euro pro Kind anzuheben - voraussichtlich ab 2026. Das ist gut. Aber es wird auch kontrolliert. Wer mehr als 500.000 Euro schenkt, muss das ab 2025 dokumentieren. Wer das nicht tut, verliert die Steuerfreistellung.
Die vorweggenommene Erbfolge ist kein Geschenk. Sie ist ein Werkzeug. Ein mächtiges Werkzeug. Aber wie ein Messer - es kann essen helfen oder verletzen. Wenn du es richtig benutzt, sparst du Steuern, vermeidest Streit, und sichertest deine Familie ab. Wenn du es falsch benutzt - verlierst du dein Zuhause, dein Geld und deine Ruhe.
Was bleibt: Mach es richtig - oder lass es bleiben
Ein Nutzer auf Erbrecht.de schreibt: „Wir haben 2021 unser Haus an die Tochter zu 1 Euro übertragen, behalten das Wohnrecht. Die Steuerersparnis: 87.000 Euro.“ Das ist ein Erfolg. Ein anderer schreibt: „Ich musste 120.000 Euro zurückzahlen, weil der Staat den Regress verlangte.“ Das ist ein Fiasko.
Der Unterschied? Planung. Voraussicht. Rechtssicherheit.
Wenn du deine Immobilie nicht verkaufen willst, aber sie an deine Kinder weitergeben willst - dann tu es mit klarem Kopf. Mit Notar. Mit Steuerberater. Mit einem Plan für dein Alter. Sonst wird aus einem Geschenk eine Belastung. Und aus einem sicheren Erbe ein juristischer Albtraum.
Dein Haus ist mehr als ein Gebäude. Es ist dein Lebenswerk. Behandle es nicht wie eine Aktie, die du einfach abgibst. Behandle es wie dein letztes Zuhause - und sorge dafür, dass es auch für deine Kinder ein Zuhause bleibt - ohne Schuld, ohne Streit, ohne Rückforderung.
Kann ich eine Immobilie zu Lebzeiten an mein Kind schenken, ohne Steuern zu zahlen?
Ja, wenn du die Freibeträge nutzt. Jedes Kind kann alle zehn Jahre bis zu 400.000 Euro steuerfrei von den Eltern erhalten. Bei zwei Kindern sind das 800.000 Euro, bei vier Kindern 1,6 Millionen Euro - komplett steuerfrei. Wichtig: Die Schenkung muss schriftlich und notariell beurkundet sein. Der Wert der Immobilie wird beim Grundbuchamt ermittelt. Wenn der Wert über dem Freibetrag liegt, wird nur der Überschuss besteuert.
Was passiert, wenn ich nach der Schenkung Pflege brauche?
Wenn du nach der Schenkung Pflege benötigst und kein eigenes Vermögen mehr hast, kann der Staat den Wert der Schenkung als Vermögensverschwendung ansehen. Innerhalb von zehn Jahren nach der Übertragung kann er vom begünstigten Kind den Pflichtteilsregress verlangen - also das Geld zurück, das es durch die Schenkung erhalten hat. Das ist besonders riskant, wenn du kein anderes Einkommen oder Vermögen hast. Lösung: Behalte genug finanzielle Rücklagen oder schließe eine private Pflegeversicherung ab.
Brauche ich ein lebenslanges Wohnrecht bei der Schenkung?
Es ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber praktisch unverzichtbar, wenn du im Haus bleiben willst. Ohne Wohnrecht verlierst du das Recht, dort zu wohnen. Ein lebenslanges Wohnrecht ist ein dingliches Recht, das im Grundbuch eingetragen wird. Es muss genau formuliert werden: Wer zahlt Heizung, Reparaturen, Versicherung? Wer darf Gäste einladen? Unklare Formulierungen führen zu Gerichtsprozessen. Experten empfehlen: Lass das Wohnrecht vom Notar genau festlegen - nicht mit einer einfachen Absprache.
Kann ich die Schenkung später widerrufen?
Nein. Eine Schenkung ist rechtlich bindend, sobald sie notariell beurkundet und im Grundbuch eingetragen ist. Du kannst sie nicht einfach zurücknehmen. Die einzige Möglichkeit ist eine Rückübertragung - und das muss dein Kind freiwillig tun. Deshalb ist es wichtig, dass du dich darauf verlassen kannst, dass dein Kind das Haus nicht verkaufen oder verpfänden will. Ein Rückübertragungsklausel im Vertrag hilft - aber nur, wenn sie rechtlich wirksam ist und dein Kind zustimmt.
Ist die vorweggenommene Erbfolge besser als ein Testament?
Es ist nicht besser - es ist anders. Ein Testament wirkt erst nach deinem Tod. Die vorweggenommene Erbfolge wirkt sofort. Vorteile: Du vermeidest das Erbverfahren, nutzt mehrfach die Steuerfreibeträge und kannst deine Wünsche sofort umsetzen. Nachteile: Du verlierst die Kontrolle über das Haus. Ein Testament behält deine Kontrolle - bis du stirbst. Aber es kann angefochten werden, und es führt oft zu Streit. Die beste Lösung: Kombiniere beides. Schenke das Haus zu Lebzeiten - und nutze das Testament, um andere Vermögenswerte zu regeln.