Wenn du deine Wohnung renovierst, willst du sicher sein, dass alles funktioniert - lange. Aber was passiert, wenn nach ein paar Monaten der Fliesenkleber bricht, das Fenster undicht wird oder die Heizung nicht mehr hält? Dann kommt die Frage: Garantie oder Gewährleistung? Die beiden Begriffe werden oft als Synonyme verwendet. Tatsächlich sind sie rechtlich zwei völlig verschiedene Dinge. Und nur wer den Unterschied kennt, kann seine Rechte auch durchsetzen.
Was ist die gesetzliche Gewährleistung?
Die Gewährleistung ist nicht freiwillig. Sie ist gesetzlich verankert - im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Wer eine Renovierung beauftragt, hat automatisch Anspruch darauf, egal ob es im Vertrag steht oder nicht. Für Bauarbeiten, die die Substanz des Gebäudes betreffen - wie Dachsanierung, Außenwanddämmung, neue Fußböden oder komplett neue Bäder - gilt eine Frist von fünf Jahren. Das steht in § 634a BGB. Diese Frist beginnt mit der Übergabe der Arbeit an dich, also mit der Abnahme.
Was zählt als Mangel? Alles, was nicht so ist, wie es vereinbart wurde. Ein Riss im Putz, der nicht da war, als du abgenommen hast? Ein Fenster, das nicht richtig schließt? Ein Heizkörper, der nicht warm wird? Das sind Mängel. Und du hast das Recht, dass sie beseitigt werden - kostenlos.
Wichtig: Die Beweislast liegt in den ersten 12 Monaten beim Handwerker. Das bedeutet: Wenn du nach sechs Monaten einen Wasserschaden an der Wand entdeckst, muss der Handwerker beweisen, dass er nichts falsch gemacht hat. Seit der Gewährleistungsreform von 2022 ist das klarer geregelt. Vorher war es nur sechs Monate. Jetzt sind es 12. Das hat die Zahl der Streitigkeiten um 27 % gesenkt, wie eine Studie des Bundesjustizministeriums zeigt.
Nach den ersten 12 Monaten musst du selbst beweisen, dass der Mangel schon bei Abnahme vorhanden war. Das ist schwieriger, aber nicht unmöglich. Fotos, Rechnungen, Protokolle von Abnahmen - das alles hilft. Ein Gutachten von einem unabhängigen Sachverständigen kann entscheidend sein.
Was ist die Garantie?
Die Garantie ist freiwillig. Sie kommt nicht vom Gesetz, sondern vom Handwerker, Hersteller oder Lieferanten. Einige Unternehmen bieten 5, 7 oder sogar 10 Jahre Garantie an. Klingt toll, oder? Aber Vorsicht: Das ist oft nur ein Verkaufstrick.
Die Garantie ist ein Zusatzversprechen. Sie kann viel enger sein als die gesetzliche Gewährleistung. Oft steht in den Kleingedruckten: „Garantie gilt nur bei regelmäßiger Wartung durch unseren Kundendienst.“ Oder: „Ausschluss bei unsachgemäßer Bedienung.“ Was bedeutet das? Wenn du das Thermostat auf 24 Grad stellst, weil du es kalt hast, und dann die Heizung kaputt geht - dann kann der Handwerker sagen: „Das ist unsachgemäße Bedienung.“ Und die Garantie fällt weg.
Ein weiterer Knackpunkt: Garantien gelten oft nur für bestimmte Teile. Die Heizung? Ja. Der Fliesenkleber? Nein. Die Dämmung? Nur, wenn sie von einem bestimmten Hersteller kommt. Und wenn der Handwerker pleitegeht? Dann ist die Garantie wertlos. Die gesetzliche Gewährleistung hingegen bleibt bestehen - auch wenn der Betrieb insolvent ist. Dann musst du dich an die Haftpflichtversicherung des Unternehmens wenden. Die muss zahlen, solange die Versicherung noch besteht.
Warum der Unterschied so wichtig ist
Stell dir vor: Du lässt deine Dachrinne erneuern. Ein Jahr später tropft sie. Der Handwerker sagt: „Wir haben eine 10-jährige Garantie, aber das ist kein Garantiefall - das ist Witterungsschaden.“ Du bist verärgert. Aber du hast noch zwei Jahre Gewährleistungsfrist. Und da musst du nicht auf seine Aussage vertrauen. Du kannst verlangen, dass er den Mangel beseitigt - und wenn er sich weigert, kannst du ihn vor die Schlichtungsstelle für Bau und Handwerk zitieren. Die ist kostenlos, schnell und unabhängig.
Ein weiteres Beispiel: Du lässt neue Fenster einbauen. Nach 18 Monaten sind sie undicht. Die Garantie des Herstellers läuft noch - aber sie schließt „Einbauten durch Dritte“ aus. Also: Kein Anspruch. Aber die Gewährleistung des Fensterinstallateurs? Die läuft noch drei Jahre. Und der Installateur ist verantwortlich, weil er die Fenster eingebaut hat. Er kann nicht einfach sagen: „Fragen Sie den Hersteller.“
Die Verbraucherzentrale Bundesverband sagt: „68,4 % der Verbraucher kennen den Unterschied nicht.“ Das führt dazu, dass jährlich 2,1 Milliarden Euro an möglichen Schadensersatzansprüchen nicht geltend gemacht werden. Das ist kein kleiner Betrag. Das ist Geld, das du verlierst - nur weil du nicht weißt, was du wirklich kannst.
Was du beim Vertrag unterschreiben solltest
Bevor du den Vertrag unterschreibst, frage nach:
- Wie lange ist die gesetzliche Gewährleistung? (Antwort: 5 Jahre für Bauleistungen)
- Welche Garantie bietet der Handwerker? Auf was genau? Für wie lange?
- Was ist ausgeschlossen? (Wartung, Bedienung, Witterung, Nachbarn, etc.)
- Wer ist der Garantiegeber? Der Handwerker oder der Hersteller? (Beides ist wichtig!)
- Wird die Garantie auf den Vertrag geschrieben? Oder nur mündlich versprochen?
Wenn der Handwerker sagt: „Wir geben 10 Jahre Garantie!“ - dann frage: „Können Sie mir das schriftlich geben?“ Und wenn er zögert - dann ist das ein Warnsignal. Ein seriöser Handwerker hat keine Angst vor Schriftlichem.
Ein guter Trick: Lass dir einen „Gewährleistungs- und Garantiepass“ ausstellen. So etwas wird ab 2025 von den Handwerkskammern eingeführt - ein einheitliches Dokument, das alle Fristen, Bedingungen und Ansprechpartner enthält. Bis dahin kannst du dir selbst einen erstellen: Notiere alle Leistungen, die Termine, die Namen der Verantwortlichen, die Rechnungsnummern und die Garantiebedingungen. Bewahre alles auf. Fotos von vor, während und nach der Renovierung sind Gold wert.
Was tun, wenn ein Mangel auftritt?
Wenn du einen Mangel entdeckst, handle schnell, aber ruhig.
- Dokumentiere den Mangel: Mach Fotos, schreibe eine kurze Beschreibung, notiere das Datum.
- Informiere den Handwerker schriftlich - per E-Mail oder Brief. Kein Telefonat! Sag klar: „Ich mache Ihnen einen Mangel nach § 634a BGB geltend.“
- Fristsetzen: Gib ihm mindestens 14 Tage Zeit, den Mangel zu beheben. Schreibe: „Ich erwarte die Behebung bis zum [Datum].“
- Wenn er nicht reagiert: Schicke eine zweite Frist mit der Androhung, einen Sachverständigen zu beauftragen - und die Kosten dann vom Handwerker verlangen.
- Wenn er immer noch nicht hilft: Kontaktiere die Schlichtungsstelle für Bau und Handwerk (SchSBau). Die bearbeitet durchschnittlich 1.247 Fälle pro Monat - und die meisten werden ohne Gericht gelöst.
Vermeide es, selbst zu reparieren - es sei denn, du hast schriftlich zugestimmt, dass du die Kosten erstattet bekommst. Sonst verlierst du deinen Anspruch.
Was ist mit kleinen Renovierungen?
Nicht alle Arbeiten fallen unter die 5-Jahres-Frist. Wenn du nur eine Wand streichst, eine Steckdose wechselst oder eine Dusche austauschst - dann gilt oft nur eine zwei-jährige Gewährleistung. Das ist in § 634a BGB geregelt, wenn es sich nicht um „Bauwerke“ handelt. Ein Bad ist ein Bauwerk. Eine neue Dusche ist eine Einrichtung. Da ist die Grenze fließend. Wenn du unsicher bist, frage deinen Architekten oder einen Rechtsanwalt. Es lohnt sich.
Und was ist mit öffentlichen Gebäuden? Da gilt die VOB - die Verdingungsordnung für Bauleistungen. Da läuft die Gewährleistung nach vier Jahren ab. Aber: Nach jeder Mängelbeseitigung beginnt eine neue zweijährige Frist. Das ist wichtig für Mieter oder Eigentümer von Mehrfamilienhäusern.
Was du nicht tun solltest
- Nicht auf mündliche Zusagen vertrauen - besonders bei Garantien.
- Nicht unterschreiben, wenn die Garantiebedingungen nicht lesbar sind.
- Nicht warten, bis die Gewährleistung abgelaufen ist - dann ist es zu spät.
- Nicht glauben, dass „lange Garantie“ automatisch „besseren Schutz“ bedeutet.
- Nicht den Handwerker beschuldigen, wenn du den Mangel selbst verursacht hast - z. B. durch falsche Heizungseinstellung oder unsachgemäße Reinigung.
Wie du dich vor Mängeln schützt
Ein seriöser Handwerker bietet dir nicht nur eine lange Garantie - er erklärt dir den Unterschied zwischen Garantie und Gewährleistung. Er gibt dir schriftliche Unterlagen. Er nimmt sich Zeit für Fragen. Und er hat eine Haftpflichtversicherung, die du verlangen kannst.
Die Deutsche Gesellschaft für Qualität (DGQ) hat 2024 ein Prüfsiegel „Sichere Renovierung“ eingeführt. Es wird nur an Betriebe vergeben, die klare Gewährleistungsbedingungen haben und keine irreführenden Garantieversprechen machen. Bis November 2024 wurden 1.247 Betriebe zertifiziert. Suche nach diesem Siegel - es ist ein echter Qualitätsindikator.
Und wenn du unsicher bist: Nutze die kostenlose Beratung der Deutschen Anwaltsauskunft. Sie bietet seit 2022 einen speziellen „Bau- und Renovierungsberater“ an. Die Wartezeit beträgt durchschnittlich 3,2 Werktage. Und du bekommst eine erste Einschätzung - kostenlos. Das ist mehr wert als jede Garantie, die nicht verstanden wird.